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150 Jahre Lehrstuhlgründung
100 Jahre Institut für Ägyptologie

Die Geschichte des Instituts.

Im Vergleich mit anderen Nationen ist die österreichisch-ungarische Donaumonarchie verhältnismäßig spät in die wissenschaftliche Erforschung Ägyptens eingetreten. Die beiden führenden Länder auf diesem Gebiet waren seit der Entzifferung der Hieroglyphenschrift 1822 Frankreich und England gefolgt von Deutschland. Erst 1873 wurde ein eigener Lehrstuhl für Ägyptologie in Wien etabliert (im Vergleich dazu waren solche in Paris bereits 1831 und in Berlin 1846 vorhanden), den Leo Simon Reinisch (1832-1919) als erster Professor innehatte. Der sprachlich begabte Reinisch hatte sich bereits in den Fünfziger und Sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts im Auftrag des Kaiserhauses und im Speziellen für Erzherzog Maximilian ägyptische Altertümer angekauft und wissenschaftlich erfasst.
Die Ägyptologie war zunächst noch kein eigenständiges Fach in Wien und als Teil der Orientalistik und Indogermanistik auf zwei Räume im Parterre des 1884 eröffneten Hauptgebäudes der Universität beschränkt. Das Interesse lag in erster Linie an den Sprachen, die im Verband mit anderen Sprachgruppen Nordafrikas und Vorderasiens standen. Hierbei entstand von Anfang an eine enge Verbindung zwischen Ägyptologie und Afrikanistik, die erst ein Jahrhundert später ein Ende fand, als 1979 die beiden Institute getrennt und eigenständig wurden.

Als Leo Reinisch 1903 emeritierte und sein Nachfolger, Jacob Krall (1857-1905), Professor für Ägyptologie und der alten Geschichte des Orients 1905 unerwartet verstarb, musste der Lehrstuhl ausgeschrieben werden. Eine Berufung von Wilhelm Freiherr von Bissing (1873-1956) aus München kam nicht zustande. Auf Anraten von Bissing bewarb sich Herman Junker (1877-1962), der soeben seine Habilitation beendet hatte. 1907 erfolgte seine Berufung zum Privatdozenten und 1909 zum a.o. Professor an der Universität Wien.
Von Anfang an widmete sich Junker intensiv sowohl der ägyptischen wie nubischen Sprachforschung, war aber aufgrund seiner Grabungstätigkeiten die meiste Zeit über in Ägypten, wo er im Namen der k. u. k. Akademie der Wissenschaften in Tura (1910), el-Kubanieh-Süd (1910/11), Kubanieh-Nord (1911), Ermenne (1911/12), Toshke (1912), und schließlich vor allem bei den Pyramiden in Giza (1912-1914, 1925-1929) Grabungen leitete.
1921/22 bekleidete Junker das Amt des Dekans der philosophischen Fakultät der Universität. 1923 begründete er das Institut für Ägyptologie und Afrikanistik in Wien, dessen erster Vorstand er war. Beide Fächer trennten sich nun von dem 1886 gegründeten Orientalischen Institut und waren fortan in einigen Räumen der Albertina (Herzog Albert Palais, Augustinerbastei) untergebracht.

1929 verließ Junker Wien, um die Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo zu übernehmen. Von seinen zahlreichen Studenten – darunter Wilhelm Czermak und Gertrud Thausing als seine Nachfolger – sei vor allem Heinrich Balcz erwähnt, dem nur eine kurze Karriere beschieden war. Der aus Wien stammende Heinrich Balcz promovierte 1925 mit Auszeichnung und war bis 1930 Assistent. 1931 und 1932 war er als wissenschaftlicher Referent am Deutschen Archäologischen Institut in Kairo. Anschließend war er Hochschulassistent in Wien, wo er sich 1934 habilitierte und im Mai 1940 zum a.o. Professor berufen wurde. Balcz nahm auch an mehreren Grabungen teil (Merimde-Benisalame, Hermopolis, Theben) und gab mit Egon von Komorzynski die ägyptologische Monatszeitschrift Archiv für ägyptische Archäologie heraus, die jedoch nur ein Jahr erschien (1938). 1942 zum Kriegsdienst einberufen kehrte er nicht mehr von der Front zurück.

Junkers Bemühungen um nubische Sprachen fanden nicht nur reichen Niederschlag in verschiedenen Publikationen, sondern besondere Pflege in seinem Schüler und Nachfolger Wilhelm Czermak (1889-1953), der die Afrikanistik in Wien weiter ausbaute. Czermak wurde 1931 ordentlicher Professor für Ägyptologie und Afrikanistik und gleichzeitig Vorstand des gleichnamigen Instituts.
Zu Kriegsbeginn erfolgte ein Ortswechsel des Instituts, da die Albertina die ägyptologischen Räume für die Musikaliensammlung beanspruchte. Das Institut fand eine Bleibe in unmittelbarer Nähe des Universitätshauptgebäudes in der Frankgasse 1, 1090 Wien. Am 15. April 1945 wurde in diesem Institut die Wiener Universität – das Hauptgebäude war durch zahlreiche Bombentreffer schwer beschädigt – offiziell wiedereröffnet. Czermak unterrichtete bis 1953, war in den ersten Nachkriegsjahren 1945-1947 Dekan und schließlich 1953 Rektor der Universität Wien.

Nach Czermaks Tod übernahm die Nachfolge des Lehrstuhls Gertrud Thausing (1905-1997), die im Geiste ihres Lehrers die Schwerpunkte des Unterrichts auf religiöse Texte und Religionsgeschichte legte. Daneben bildete die Sprachpflege der verschiedenen Phasen der ägyptischen Kultur sowie afrikanische Sprachen – Ewe, Kenzi-, Fadidscha- und Mahass-Nubisch – nach wie vor einen wesentlichen Schwerpunkt des Unterrichts.
Als Ägypten 1960 über die UNESCO den Aufruf an die Welt richtete, sich an der Rettung ägyptischer und sudanesischer Denkmäler zu beteiligen, blieb Österreich nicht untätig. Durch die Errichtung des Hochdammes bei Assuan („Sadd el-Ali“) war die Flusslandschaft bis über 500 km in den Sudan samt seiner archäologischen Relikte vom Untergang in den aufgestauten Wassermassen bedroht. Da das Institut keinen ausgebildeten Archäologen hatte, leitete von 1961 bis 1966 Prof. Dr. Karl Kromer, Leiter der Prähistorischen Abteilung im Naturhistorischen Museum Wie die Grabungen im Distrikt Sayala (ca. 130 km südlich von Assuan), wo das Gelände systematisch untersucht und die Relikte von Felszeichnungen bis zu koptischen Bauresten dokumentiert wurde.

Als Thausing 1977 in den Ruhestand trat, übernahm ein Archäologe, Dieter Arnold, vom Deutschen Archäologischen Institut in Kairo kommend die Leitung des Wiener Instituts (1979). Die Ägyptologie trennte sich nun von der Afrikanistik, die ein eigenständiges Institut begründete. Durch die Berufung Arnolds eröffnete sich eine zusätzliche Möglichkeit der Feldarbeiten in Ägypten für das Wiener Institut, da er im Namen des Deutschen Archäologischen Instituts jährlich Grabungen an der Pyramide Amenemhets III. in Dahschur leitete. Die zweite Grabungsmöglichkeit des Instituts bestand in den ebenfalls alljährlich stattfindenden Grabungen beim heutigen Ort Tell el-Dab‘a im Ostdelta, die Manfred Bietak von 1966-2009 leitete. Diese für das Institut und die Ausbildung des Nachwuchses wertvolle Bereicherung der Lehre erlitt eine Einbuße, als Arnold einer Einladung des Departments of Egyptian Art des Metropolitan Museum of Art in New York folgend den Lehrstuhl verließ. 1989 übernahm Manfred Bietak die Leitung des Instituts und intensivierte in Lehre und Forschung maßgeblich die archäologische Ausbildung insbesondere im Zusammenwirken mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Österreichischen Archäologischen Institut in Wien.
Nach der Emeritierung Bietaks 2009 erfolgte die zügige Nachbesetzung des Ordinariats durch Frau E. Christiana Köhler. 2013 übersiedelte das Institut in die Franz-Klein-Gasse 1, 1190 Wien.